Direkt aus der Fleischerei

Fleischerei und Denkmalschutz

Teil 2

Gesprochen mit: Marjano Glocke

Sprechen wir einmal über Ihren Arbeitsalltag als Fleischer. Heute war Produktionstag, wie viele Mengen kommen da so bei rum?

300-600 Kilo täglich. Abhängig vom Absatz und der Auftragslage.

Wie viele arbeiten im Team?

Wir sind meistens drei Mann in der Produktion und Schlachtung.

Wollten Sie schon immer Fleischer werden?

​Ich habe noch nie etwas anderes machen wollen.

Wie kam es dazu?

​Mein Opa war schon Fleischer und ist früher Hausschlachten gegangen. Hier in der Region. Früher wurden die Tiere noch oft zu Hause gehalten, das Fleisch sozusagen selbst “gezüchtet”, um Kosten einzusparen. Diese Tiere mussten dann geschlachtet werden und dafür brauchte man einen Fleischer. Mein Opa ist also umhergereist und hat das über die Wintersaison gemacht.

Haben Sie ihn noch kennengelernt?

Ich war erst drei, als er gestorben ist. Aber bei uns zu Hause ist auch regelmäßig ein Fleischer für Hausschlachtungen vorbeigekommen. Ich kannte das nicht anders, ich bin damit groß geworden und irgendwo ist da wohl irgendein Gen hängen geblieben. Ich habe dann gesagt: “Das ist meins, das muss ich machen.”

Sie haben selbst zu Hause geschlachtet?

​Nein, bei uns ist dann auch ein Fleischer für die Hausschlachtung vorbeigekommen und hat bei uns geschlachtet. Aber das ist von jeher mit drin gewesen, ich kannte nichts anderes, bin damit groß geworden.

Und wann haben Sie mit der Ausbildung angefangen?

1995 habe ich die Ausbildung hier begonnen. Vorher hatte ich meine Schulpraktika hier absolviert. Ich war der erste, der hier nach der Wende sein Schulpraktika gemacht hat. Es hat sich dann der Betriebsmeister dafür eingesetzt, dass sie mich ausbilden dürfen.

Würden Sie sagen, dass Sie ein Gefühl dafür haben, wie es dem Tier geht, wenn es hier im Schlachthof ankommt?

​Mit Sicherheit. Ich bin mit selbst Tieren groß geworden. Man verbringt Monate – bei Rindern Jahre – mit einzelnen Tieren. Da weiß man eben, wie das ist. Es sind schließlich Lebewesen.

Welchen Einfluss hat das Schlachten auf Ihre Beziehung zu den Tieren? Können Sie sich an Ihre erste Schlachtung erinnern?

​Ich kann mich an fast jede Schlachtung erinnern. Du hauchst ein Leben aus. Nachdem das Tier tot ist, ist es zwar bloß noch ein Rohstoff, aber vorher ist es immer ein Lebewesen. Man sollte also so mit Tieren umgehen, wie man mit dem Gegenüber umgeht.

WT Magazin Schinken

Ihre Tätigkeit beeinflusst also Ihr Verhältnis zu Tieren und letztendlich zur Natur?

​Selbstverständlich. Um jedes Tier, das ich selbst bei mir zu Hause habe und dann schlachten muss, tut es mir leid. Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre. Aber es ist nun einmal so. Ich füttere meine Tiere dafür und dann will ich sie auch schlachten.

Wie bewerten Sie “gute” Arbeit? Woran machen Sie in Ihrem Beruf die Qualität Ihrer Arbeit fest?

Wenn ein gutes Produkt entsteht. Wenn so viel wie möglich vom gesamten Tier verarbeitet wird. Und natürlich, wenn die Kunden zufrieden sind.

Wie gelingt es, möglichst das ganze Tier zu vermarkten?

​Veredelung. Die Teile, die weniger beliebt sind, versucht man dahingehend zu veredeln, dass der Kunde sie haben möchte.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel eine Schweineschulter. Eignet sich als schöner Braten. Im Laden läuft sie aber weniger gut als Braten, also veredelt man sie zu Salami.

Würden Sie sich manchmal wünschen, dass vom Kunden mehr Wissen mitgebracht wird, etwas mehr mitgedacht wird?

​Ja, manchmal wäre das schön. Wenn es noch die alten Hausfrauen geben würde, die noch wirklich Mittag kochen können. Und nicht irgendwie die Jugend, die bloß Steaks und Fertigessen haben will. Die auch mit den Fleischteilen, die ich in der Theke liegen habe, nichts anzufangen wissen. Vorteil ist, dass es jetzt viele Kochsendungen gibt. Wenn im Fernsehen so eine Sendung läuft, dann weiß man genau, dass man hier kurz danach jemanden im Laden stehen hat, der genau sowas haben will.

Also könnte das Fernsehen da auch eine Aufklärungsfunktion einnehmen und den Zuschauern die weniger bekannten, aber deshalb nicht schlechteren Teile vom Tier schmackhaft machen?

​Richtig. Wenn Sterneköche in einer Kochsendung einen schönen Tafelspitz zubereiten, habe ich hier gleich ein bis zwei Kunden, die nach Tafelspitz fragen. Über Innereien wird weniger gesprochen im Fernsehen. Wenn jetzt aber ein Starkoch dort einmal eine Schweine- oder Rinderleber braten würde, dann wüsste ich: Ende der Woche stehen hier mindestens ein bis zwei Kunden, die das wollen.

Wie ist so der Kundenstamm, der hier vorbeikommt?

​Das sind hauptsächlich ältere Personen, die aus den Dörfern sind. Aber es kommt auch nach und nach jüngere Kundschaft hierher. Die fangen wieder an zu Hause zu kochen oder zumindest, es auszuprobieren.

Dann liegt das veränderte Interesse also nicht nur an der Bevölkerungsstruktur, sondern auch an einer neuen Einstellung der Leute? 

​Bei einem Teil fängt das jetzt an, dass die – ich sage mal so – nicht nur “ne Frostmatte ausm Tiefkühler“ essen wollen. Weil auf Dauer ist das ja irgendwann auch langweilig. Die nehmen dann schon auch hier mal eher ein Stück Rindfleisch mit oder probieren ein Steak aus. Deswegen lege ich auch Wert darauf, dass meine Verkäuferinnen und Verkäufer im Laden wissen, wie unsere Produkte am besten zuzubereiten sind.

Was ist Ihren Kunden sonst noch wichtig?

​Beispielsweise fragt ein Großteil der Kunden, hauptsächlich aus Berlin, ob wir selber schlachten oder zukaufen, woher unsere Tiere kommen und ob man dort auch einmal hinfahren kann.

WT Magazin Fleischer im Gang

Und woher beziehen Sie die Tiere?

​Alle aus der Region. Mir ist wichtig, dass die Bauern den Großteil von ihrem Futter auch selber vom Feld gewinnen. Damit weiß ich, was die Tiere da zum Großteil kriegen. Das ist mir wichtig.

Wie ist die Auswahl an Viehzüchtern hier für Sie?

Hier im Oderbruch ist die Auswahl groß. Der Oderbruch ist ja selbst halbwegs groß, zudem wird hier viel Landwirtschaft betrieben. Ich picke mir dann spezielle Züchter heraus, denen sage ich: “Bei euch gefällt mir das besser, bei euch bestell ich”. Auf dem Weg zum Angeln beispielsweise komme ich an einem Partnerbetrieb vorbei und dann sehe ich direkt auf der Weide schon die Tiere, die ich gerne hätte.

Und daraus werden dann welche Produkte gemacht, was sind die Kassenschlager?

​Bierschinken, Knoblauchring, Bauernzervelatwurst, Haussalami, Bockwurst, Wiener, Hausmacher Leberwurst, Blutwurst. Da müsste ich die ganze Produktpalette von vorne nach hinten durchgehen und das, was als Letztes kommt, da wüsstest Du: Das verkauft sich am schlechtesten, das ist dann so ein kleiner Ladenhüter. Die Produkte müssen aber vorrätig sein, weil die Kunden das geregelt nachfragen. Natürlich fehlen aber Produkte auch mal 14 Tage, drei Wochen. Das liegt daran, dass wir uns in der Produktion erst drauf vorbereiten müssen oder gewisse Artikel sammeln müssen. Schweinezungen zum Beispiel. Zungenwurst kann ich nicht jede Woche produzieren. Die wird nur alle drei bis vier Wochen gemacht, weil man erst Schweinezungen sammeln muss. Die Schweinefilets ebenfalls. Es gibt nur Filetwurst, wenn auch ausreichend Filets da sind, die nicht verkauft wurden. Also, alles was nicht in den Laden geliefert wurde, das bereiten wir vor, damit wir dann Filetwurst machen können. Dann kann es schon einmal passieren, dass wir diese drei, vier Wochen nicht im Angebot haben.

WT Magazin Wurst Kunstvoll

Wo kommen die Rezepturen her?

​Das sind eigentlich alles Rezepturen, die hier seit Jahren traditionell im Unternehmen genutzt werden. Einige habe ich umgestellt, man lernt dazu, verbessert, verfeinert. Wir haben Zusatzstoffe entfernt, die nicht in der Wurst enthalten sein müssen und legen die Rezepte so aus, so dass es traditionelle handwerkliche Produkte, Gewürze und Rezepturen sind. Deswegen ist jede Wurst hier bei uns auch noch mit der Hand abgebunden. Das ist bei jeder Wurst zu sehen. Die ist nicht geclippt, da ist eine Schleife drum, da ist ein Stück Strippe dran, Hanfstrippe, in verschiedenen Farben. Jede vernünftig mit der Hand gebunden. Da ist noch zu sehen, dass das Handwerk ist und keine Industrie. Industrie kann jeder.

Und so soll's bleiben?

​Ja. Es ist nicht mein Plan, auf Industrie zu gehen. Dieser Betrieb soll ein Handwerksbetrieb bleiben, das ist mein Anliegen.

Ende Teil 2