Direkt aus der Fleischerei

Fleischerei und Denkmalschutz

Teil 1

Gesprochen mit: Marjano Glocke

Das Schlachthaus Bad Freienwalde ist wirklich ein beeindruckendes Gebäude. Marjano Glocke, was wissen Sie über die Geschichte des Gebäudes, in dem Sie tagtäglich Ihrer Arbeit nachgehen?

Es wurde 1899 für die Gemeinschaftsschlachtung erbaut, also als Schlachthaus für viele kleine Fleischer. Mitte der 50er Jahre wurde es dann für Notschlachtungen umdisponiert. Zu DDR-Zeiten sind dann alle Tiere, die verletzt waren, beispielsweise ein gebrochenes Bein hatten, von den Landwirtschaftsbetrieben hierher gebracht und notgeschlachtet worden. Notschlachtungen dienten weniger zur Fleischgewinnung als zur Darm- und Fellgewinnung.

Wenn möglich, wurde das Tier wie ein gesundes Tier verarbeitet?

Wenn es ging, ja.

Notgeschlachtet wird jetzt woanders?

Laut EU-Richtlinien und dem Veterinäramt ist das hier nicht mehr gestattet und ich persönlich möchte das auch nicht. Wenn ich sehe, wie da ein Tier mit gebrochenem Bein auf einen Hänger aufgezogen werden muss, dann quält sich das zu sehr für mich. Für mich wäre eine schnelle Erlösung im Betrieb sinnvoller. Andere Betriebe holen sich diese Tiere und vermarkten es als Hundefutter. Das müssen wir nicht.

Ist die Qualität des Fleisches durch eine solche Schlachtung beeinflusst?

Nun, es könnte sein, dass dieses Tier schon Fieber hatte oder mit Medikamenten behandelt wurde, ohne dass jemand davon spricht. Deswegen machen wir das hier nach EU-Richtlinien. Das heißt, jeder Bauer, der mir seine Tiere zum Schlachten gibt, muss mir ein Schreiben vorlegen, welches dokumentiert, dass das Tier in der letzten Zeit nicht behandelt wurde.

WT Magazin Schlachthaus

Das war früher sicherlich nicht so. Wozu diente denn eigentlich der riesige Schornstein an Gebäuderückseite?

Der Schornstein hinten diente früher der Wassererzeugung, also Heißwasser und Dampf. Früher wurden die Kühlaggregate noch mit Dampfmaschinen angetrieben. Den Dampf und Heißwasser benötigte man zum Reinigen beziehungsweise zum Brühen von Geflügel oder Schweinen. Deswegen ist da hinten noch so ein riesiger Schornstein. Weil früher hier auch noch eine riesige Heizanlage stand.

Das Gebäude hat eine stattliche Höhe. Mittig sind mittlerweile Decken reingezogen. Warum waren die Räume ursprünglich so hoch konstruiert?

Einerseits, um die Tiere aufzuhängen und sie mit Winden hochziehen zu können. Andererseits, um die Luftfeuchtigkeit, die sich unten sammelt, im großen Raum zu verteilen. Die Rinder und Schweine, die hier schon immer geschlachtet wurden, mussten hochgezogen und gespreizt werden. Und da das früher alles über Seile und Umlenkrollen ging, musste der Raum eine entsprechende Größe haben. Deshalb wurde das alles so hoch gebaut.

Das ist heutzutage nicht mehr notwendig, da es nun bessere Technik für diese Prozesse gibt und die EU-Richtlinien diese Technik vermutlich fordern?

Richtig. Gewisse EU-Standards muss man einhalten, um auf Hygienestandards zu kommen. Deswegen ist die Raumhöhe durch das Einziehen von Dämmplatten verringert worden. So wird die Energie ein bisschen effektiver genutzt und wir haben nicht so viele Heizkosten. Oder Kühlkosten, je nachdem. Wenn man im Kühlhaus steht. will man die Kühlkosten sparen und wenn man in der Produktion steht, will man die Heizkosten sparen.

Und nebenan steht ebenfalls noch ein historisches Gebäude, welches früher für die Schlachtung von Pferden gebaut wurde?

Das war in den 50er Jahren eine Pferdeschlachtung, ja.

Das heißt, das passiert heute so nicht mehr?

Es wird heute nicht mehr so viel Pferdefleisch gekauft. Beziehungsweise gibt es gar nicht mehr so viele Schlachtpferde. Ganz ehrlich, ich habe da auch kein Interesse daran. Es gab damit in der Vergangenheit schon genug Scherereien und Ärger mit Pferdefleisch, das als Rindfleisch verkauft wurde. Das muss ich nicht unbedingt haben. Wir sind hier auch nicht so eine Region, wo das noch viel gegessen wird. Es gibt noch genug Roßschlächter, die weiter weg sind, hier mit dem Verkaufswagen herkommen und dennoch keinen großartigen Erfolg haben. Früher war das Pferd ein Arbeitstier und Lebensmittel, heute ist es nur noch Kuscheltier. Oder eben eine Geldanlage.

WT Magazin Metzger Innenraum

Womit hängt das Ihrer Meinung nach zusammen?

Nun, die Landwirtschaftsbetriebe wurden gleich in den Anfangsjahren der DDR zu LPGs, den “Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften”, umstrukturiert. Darin wurden auch die Kleinbauern mit aufgenommen. Es gab zunächst drei Genossenschaftsarten. Bei Typ 1 brachten die Bauern nur den Boden ein, bei Typ 2 wurden zusätzlich die Maschinen kollektiv genutzt und bei Typ 3 gehörte neben Boden auch das Vieh zum Gemeingut. Weil dann auf einmal selbst Kleinbauern moderne Landwirtschaftsmaschinen, wie Traktoren, nutzen konnten, wurden Pferde als Nutztiere abgeschafft. Die waren dann in dem Sinne nur noch “Futterfresser”. Es gab also einen Überschuss an Pferden und die wurden dann zum Großteil geschlachtet. Früher hat der Bauer nur ein altes Pferd, das nicht mehr zum Arbeiten diente, zum Schlachter gebracht.

Und irgendwann gab es keine Arbeitspferde mehr?

Naja, nach dem Krieg war das so, dann wurde aufgeräumt. Dann schritt die Industrialisierung voran und immer Arbeitsschritte wurden von der Technik übernommen. Irgendwann waren Pferde dann eben unwirtschaftlich.

Ende Teil 1