Teil 2
Gesprochen mit: Jörg Ribbe
Jörg Ribbe, Sie haben den Laden von Ihrem Vater übernommen. Wann war das?
2015.
Was wissen Sie über den Betrieb zu DDR-Zeiten?
Da war mehr zu tun im Laden. Es bestand auch ein ganz anderer Bedarf. Heute ist Fleisch und Wurst überall zu kriegen. Damals war das nicht so. Die Versorgung der Bevölkerung war in der DDR ein ganz wichtiges Thema. Dadurch, dass es ja nun auch nicht alles im Überfluss gab, wurde entsprechend viel gekauft, wenn es etwas gab.
Wurde auch zu dieser Zeit im Betrieb geschlachtet?
Ja. Wie genau das damals abgelaufen ist, weiß ich nicht. Ich weiß bloß, dass bis auf eine kurze Unterbrechung in den 90ern immer schon bei uns geschlachtet wurde. Auch in der DDR. Obwohl der Betrieb die ganze Zeit selbstständig gewesen ist, also nicht enteignet oder zu einer Konsumgesellschaft umgewandelt wurde.
Wie wurde Ihnen noch aus dieser Zeit berichtet?
Wie ich das so mitbekommen habe, war es schwierig, Rohstoffe zu bekommen – ob es nun alleine das Fleisch war oder die Gewürze oder Därme. Das hat kaum jemand bekommen. War alles schwierig zu kriegen. Früher, bei Hausschlachtungen, sind alle mit ihren Eimern selber gekommen. Dann wurde die Leberwurst in die Eimer gefüllt und die Leute haben sich das mitgenommen und zu Hause selbst in die Gläser eingeweckt. Es gab ja keine Därme.
Der Betrieb befindet sich nun in der 5. Generation. Da kommt einiges an Rezepten zusammen. Man hört über 100?
Ja, aber wir produzieren auch nicht ständig alle Sorten. Wir haben schon Mettwurst mit Schokolade gemacht, exotische Salami mit getrockneten Früchten, oder Kalbfleischsalami mit Champagner. Das sind dann eher Eintagsfliegen. Das macht man mal, die Leute probieren das, aber nachher kommen sie doch wieder zum Ursprünglichen zurück. Das sind lustige Ideen, aber keine großen Kassenschlager… Wir hatten mal eine Zeit lang die Buddelwurst. Eine dünne Salami, in die hinten eine Schnapsflasche reingesteckt wird. Der Verschluss wird beim Zubinden direkt in die Wurst gemacht. Der Verschluss von der Schnapsflasche guckt dann am Ende mit raus. Damals hat dann ein Typ ein Gedicht dazu geschrieben und jeder, der so eine Wurst gekauft hat, bekam das Gedicht dazu. Immer an Himmelfahrt war das. Der absolute Renner!
Soll Ihr Sohn auch einmal den Betrieb übernehmen?
Mein Sohn ist neun. Wer weiß, was in 15 oder 20 Jahren ist. In der heutigen Zeit kann man das nicht sagen. Im Moment sagt er, dass er das später machen möchte, aber was dann wird, muss er selber wissen. Wenn er es macht, wäre das schön. Wenn nicht, können wir es leider auch nicht ändern.
Für Sie war es aber immer klar, dass Sie Fleischer werden?
Für mich war das klar. Meinen Meister habe ich damals 2006 fertig gemacht, da war ich damals mit 21 jüngster Meister aller Gewerke in Berlin.
Die Fleischerei Ribbe besteht seit 1874. Sie wurde damals drei Dörfer weiter in Nackel gegründet. Anfang der 50er Jahre ist Ihr Opa hier nach Wusterhausen gekommen und hat die Fleischerei übernommen. Neben dem Verkaufsladen betreiben Sie einen Imbiss nebenan und einen Partyservice. Suchen Sie nach weiteren Geschäftsbereichen?
Momentan funktioniert das alles gut. Heutzutage wird es immer schwieriger, Personal zu finden. Da sind große Sprünge schwierig, weil es nicht die Möglichkeiten gibt, das alles auch personell abzudecken. Wir hatten mal relativ viele Filialen und einen Verkaufswagen. Aber als meine Mutter, die sich um viel gekümmert hat, damals Mitte der 90er starb, gab es dann so einen kleinen Umschwung. Wir haben das dann alles ein bisschen verkleinert und uns dann entschlossen: Lieber ein bisschen kleiner und dafür besser. Unterm Strich ist es auch besser so. Wenn man nur noch auf Masse produziert, leidet nachher die Qualität darunter. Wir haben jetzt nur noch eine Filiale. Die Filiale in Kyritz haben wir nicht mehr. Das Gebäude, wo wir das Geschäft hatten, wurde komplett abgerissen und neu gebaut. Eine Supermarktkette ist da ein wichtiger Investor und die haben uns keinen neuen Mietvertrag mehr angeboten, weil sie dort auch selber mit einer Fleischtheke planen. Wenn ich der Investor wäre, würde ich mir auch keine Konkurrenz ins Haus holen. Das ist nun mal so. Man würde es ja selber nicht anders machen.
Warum ist es so schwer Arbeitskräfte zu finden?
Die Leute gehen woanders hin. Diese harte körperliche Arbeit will auch kaum noch jemand machen, früh aufstehen, am Wochenende abends arbeiten. Am liebsten will jeder studieren gehen, irgendwo im Büro sitzen, sehr viel Geld verdienen und sehr wenig arbeiten. Unsere Branche ist nun mal nicht die bestbezahlte. Aber gut, wir machen das Beste draus.
Verstehen die Leute, was Sie machen? Bekommen Sie von den Kunden die Wertschätzung?
Also bei denen, die nicht kommen, da weißt du, die wollen es nicht. Du kannst nicht jeden als Kunden haben und du kannst es nicht jedem recht machen. Wir haben aber auch etliche Kunden, die Anfang des Monats zum Zahltag und kaufen auch ein bisschen mehr ein. Die sagen: “Wir frieren uns das jetzt ein, sonst haben wir zum Ende des Monats nichts.” Die teilen sich das ein. Da merkt man, das Produkt wird geachtet und ist etwas Besonderes.
Ist den Kunden wichtig, dass Sie im Betrieb selber schlachten?
Ich denke mal, zum Großteil ja. Manchen ist es wahrscheinlich egal, aber man fragt ja auch nicht jeden Kunden.
Haben Sie denn das Gefühl, dass das Handwerk und selbständige Metzgereien auch in Zukunft existieren werden?
Man kann bloß hoffen, dass die Leute einsehen, dass das Handwerk eine andere Arbeit macht als die Industrie. Will nicht sagen zwingend besser. Es gibt wie überall gute und schlechte Betriebe. Wir haben eine andere Struktur als die Industrie. Und dass wir nicht für die Preise arbeiten können, wie die in der Industrie, muss man auch verstehen.
Bleibt Zeit für Freizeit?
Man muss sich damit arrangieren. Manchmal ist es mehr, manchmal weniger. Wer das eine will, muss das andere mögen.
Gelingt die Trennung von Arbeit und Freizeit?
Mein Hobby ist Jagd. Das kann man gut abends machen und ich mache es mit meiner Frau gemeinsam. So besteht natürlich eine recht eindeutige Verbindung mit der Arbeit. Aber auf dem Hochsitz kommt man runter. Man kann abschalten, wenn man da auf dem Hochstand in der Natur sitzt. Wir haben den See hier in Wusterhausen und alles, was man braucht. Wenn man in der Großstadt wohnt, ist es sicherlich einfacher, abends etwas zu unternehmen. Aber trotzdem ist es hier auch schön!
Ende Teil 2